Ich will nicht mehr. Ich will mich.

CbEZKjAmSkGA%LmVv4aUeQIn den letzten Wochen ist in mir der Wunsch gewachsen, es nochmal ernsthaft mit dem Abnehmen zu versuchen. Ich möchte endlich eine dauerhafte Möglichkeit finden, meine Ernährung auf einen Stand zu bringen, der dieses ständige Auf und Ab meines Essenverhaltens und meines Gewichts beendet. Ich fühle  mich nicht wohl mit meinem Essen. Und auch nicht mit meinem Bauch, meinen Oberschenkeln, meinem „Mond“-Gesicht. Ich fühle mich abhängig von den ständigen „Angeboten“ in meinem Lebensumfeld. Ich kann mich ernsthaft keine fünf Minuten in Eimsbüttel oder auch sonst irgendwo in der Stadt bewegen, ohne dass es nach Essen riecht, Essen ausliegt und ich das Gefühl habe, jetzt essen zu müssen. Und fast überall, wo ich hinkomme, steht Essen auf dem Tisch.

Dass das eine Sache in meinem Kopf ist, weiß ich natürlich, aber ich will nicht mehr. Ich will mich. Und einen Alltag, der nicht vom Essen diktieren wird. Doch habe ich bislang keine Lösung gefunden, wie ich das anstellen könnte. Einige Versuche, anders und damit weniger zu essen, waren nicht von Dauer. Ich habe zwar nicht Über maßen zugenommen, aber ich hatte schon den Eindruck, dass es so langsam wieder bergauf ging.

Unser Urlaub in Vietnam und Kambodscha Ende Januar/ Anfang Februar hat in mir die Entscheidung reifen lassen, mir Hilfe dafür zu suchen, diesmal nicht ärztlich/psychologisch, sondern von einem kommerziellen Anbieter – Weight Watchers. Ich war 16/17, als ich mit Weight Watchers etwas über zehn Kilogramm abgenommen habe. Seitdem war der Club für mich erledigt. Ich fand diese Treffs furchtbar, ich war wohl auch noch zu jung, und ich hatte wohl auch zu wenig Unterstützung.

Nun aber habe ich zuerst bei meiner Tochter und dann bei meinem Mann gesehen, wie flexibel das WW-System geworden ist. Beide haben toll abgenommen. Und das es eigentlich gar keine Diät ist, sondern eine langfristige Ernährungsumstellung, die so lange begleitet wird, wie ich es möchte.

Ich machte, wie man so schön sagt, gleich „Nägel mit Köpfen“: Buchte am vorletzten Sonnabend ein Jahr Weight Watchers, kaufte am Montag eine Waage. Eine Waage! Vor 14 Jahren habe meine letzte weggeworfen und geschworen, nie wieder eine anzuschaffen oder mich auf eine zu stellen. Aber ich habe so ein Gefühl, dass ich nun eine Reife habe, die mir Gewissheit bringt, damit umgehen zu können. Natürlich war ich besorgt gespannt: Was würde ich wiegen? Unter oder über 90 Kilogramm? Noch mehr? Das konnte eigentlich nicht sein, denn ich habe die Konfektionsgröße, ich ich auch mit Ende 20 hatte, bevor ich 50 Pfund verlor und zehn Jahre zwischen Fasten, Brechen und Zunehmen gefangen war.

Auch mein Mann schätzte mich auf über 90 Kilogramm Körpergewicht ein – aber nur, damit ich nicht frustriert wäre, wenn mein Gewicht wirklich so hoch sei, sagte er. 90 Kilogramm hatte ich zudem auch als Startgewicht bei Weight Watchers bewusst angegeben, um hochzustapeln. Mein Gefühl hatte mich dann nicht getäuscht: 86 Kilogramm zeigte das Display, als ich mich am Dienstagmorgen wog.

Ich bin jetzt eine Woche dabei und sehr angetan von den Erfahrungen. Ich komme an einigen Tagen nicht auf die Punktezahl, die ich ausschöpfen darf. Lediglich am letzten Freitag lag ich weit drüber: Die Nachbarn hatten uns zur Pizza eingeladen.

Ich finde die Rezepte reizvoll, die angeboten werden, ich bin erstaunt, dass Lebensmittel wir Banane und Eier keine Punkte haben. Ich koche leckere Mittagessen, die keine Punkte haben. Auch das war eines meiner Anliegen: Nicht mehr soviel unterwegs essen, nicht mehr Fertiges kaufen, sondern selbst machen.

Ich bin dennoch skeptisch: Kann ich mit diesem Prinzip abnehmen? Ich habe mich auf ein Jahr eingestellt. Sollte es schneller gehen, kann ich die Zeit für den „Erhalt“ nutzen, wie das genannt wird. Eine Begleitung, die mir hilft, eine Ernährung zu finden, mit der ich ausgewogen leben kann. WW ist ja nicht billig, aber was ich für Essen ausgegeben habe, gleicht das schnell wieder aus.

Mir macht die App Spaß, die Weight Watchers anbietet: Sie gibt mir Rahmen und Planken, gibt mir also Struktur, die ich benötige. Sie ist motivierend. Die Leute, die ich in der Community antreffe, wirken streckenweise zwar ziemlich essgestört, aber letztlich bin ich da ja in guter Gesellschaft, nur dass ich vor allem den jungen Frauen vieles voraus habe. Ich habe mir vorgenommen, sie gelassen zur Kenntnis zu nehmen.

Und so poste ich morgens meinen Frühstückskaffee und tagsüber Bilder von meinen Mittagessen – sofern ich daran denke, ein gutes Foto zu machen. Ich habe mich auf die Reise gemacht, die ich bereits einmal hinter unternommen habe. Ich habe diesmal das Gefühl, kein unbekanntes Terrain zu betreten und glaube, die Risiken diesmal gut abwägen zu können. Vielleicht ist Weight Watchers für mich der letzte Schritt auf dem Weg zu meiner Genesung von der Bulimie. Ich hoffe und wünsche es mir. Frieden finden und glücklich sein, ohne dass mich das allseits maßlose Angebot von Essen ständig reizt und ich mich so unendlich machtlos fühle, wenn ich ihnen nachgebe. Ich will mich. Vielleicht endlich, nun, mit Anfang 50.

 

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